Basisrente zum Jahresende? Warum du jetzt besonders skeptisch sein solltest


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Basisrente zum Jahresende? Warum du jetzt besonders skeptisch sein solltest — und wann Rürup überhaupt Sinn macht

Zum Jahresende sind Steuerersparnisse ein Verkaufsthema wie Weihnachten die Lebkuchen: Berater und Vermittler erinnern ihre Kunden daran, noch in diesem Jahr einzuzahlen — weil das die aktuelle Steuererklärung senkt. Das ist völlig legal und sinnvoll für Leute, die genau wissen, was sie tun. Für viele Kunden ist es aber eher ein Fest der Verkaufsrhetorik: rasch unterschreiben, Steuer sparen — ohne die langfristigen Konsequenzen sauber zu erklären. Hinweise dazu finden sich regelmäßig in Steuer- und Beraterkreisen.

Basisrente (Rürup): Für wen sie sich wirklich lohnt – und für wen nicht

Vertriebsfloskeln lauten oft:

  • „Sie sparen jetzt Steuern!“ (stimmt)
  • „In der Rente zahlen Sie nur sehr wenig Steuer!“ (häufig falsch)

Wer selbstständig ist, keinen Anspruch auf gesetzliche Rente hat und seine Altersvorsorge komplett selbst gestalten muss, bekommt regelmäßig denselben Rat: „Mach eine Basisrente, du sparst Steuern!“
Das klingt erst einmal verlockend – schließlich dürfen Beiträge bis zu rund 29.000 € (2025) voll als Sonderausgaben abgesetzt werden. Viele Verkäufer präsentieren diese Steuerersparnis als „geschenktes Geld“ oder „Renditeturbo“.

Was dabei gerne unter den Teppich gekehrt wird:

Jeder Euro, den Sie in die Basisrente einzahlen, kommt später als komplett steuerpflichtige Rente zurück.
Und je länger und je mehr Sie einzahlen, desto höher fällt die Rente aus – und desto höher ist auch Ihr persönlicher Steuersatz im Rentenalter.

Die Idee, dass Selbstständige im Alter automatisch „im niedrigen Bereich“ besteuert werden (“vielleicht 10–15%”) ist oft Wunschdenken. Die Realität sieht – insbesondere bei hohen Sparleistungen – anders aus.

Achtung Kosten: günstige Nettotarife sind die Ausnahme

Unabhängige Untersuchungen zeigen, dass viele Rürup-Tarife hohe Effektivkosten haben; in Marktanalysen tauchen Effektivkosten um ~1 % und mehr auf — manchmal deutlich höher. Studien und Verbraucherschützer kritisieren gerade die intransparenten und teils hohen Abschluss- und Verwaltungskosten, die Renditen auffressen. Eine neutrale Auswertung (u. a. Fraunhofer / Branchenanalysen, TU Chemnitz, Verbraucherzentrale) belegt: viele Tarife schneiden schlecht ab, und Kostenangaben sind für Laien schwer vergleichbar.

Ja, es gibt Netto-/provisionsfreie Rürup-Tarife mit sehr niedrigen laufenden Kosten — Finanztip und einige Vergleichsportale benennen einzelne empfehlenswerte Tarife. Das ändert aber nichts am Grundsatz: diese guten Tarife sind die Ausnahme, nicht die Regel; viele Kunden bekommen in klassischen Vermittler-Szenarien deutlich teurere Produkte aufgedrückt. Prüfe also genau, ob dein Angebot wirklich ein Nettotarif ist — oder ob Provisionen (z.b. für aktive Fonds) und erhöhte Mantelkosten versteckt sind.

Rechtliches/Haftungsrisiko: § 314 VAG — die Aufsicht kann zahlen kürzen

Wenn du dein Vorsorgevermögen in eine Versicherung trägst, hängt deine zukünftige Auszahlung auch von der Finanzlage des Versicherers ab. Im Notfall kann die Aufsicht Maßnahmen anordnen — bis hin zu Zahlungskürzungen oder Auszahlungsstopps gemäß § 314 VAG. Das ist real und wurde in Fachkreisen und Verbraucherinformationen mehrfach thematisiert. Kurz: Dein Vertrag ist nicht so „unantastbar“, wie Verkäufer das gern darstellen.

Konkretes, belastbares Rechenbeispiel

Annahmen (konkret):

  1. Einzahlung: 25.000 € / Jahr, 25 Jahre
  2. Bruttorendite (Fonds): 6,0 % p.a.
  3. ETF-TER (frei/Depot): 0,25 % p.a.
  4. Netto-Rürup-Mantelkosten (guter Nettotarif, selten): 0,40 % p.a.
  5. Rürup-Rendite nach Kosten: ca. 5,6 % p.a.
  6. Freies ETF-Depot Rendite nach TER: 5,75 % p.a.
  7. Verrentung Rürup: konservativer Rentenfaktor 3,0 % p.a. (lebenslange Rentenzahlung)
  8. Besteuerung Rürup-Rente in Zukunft: voll steuerpflichtig (nachgelagerte Besteuerung)

Schritt 1 – Ansparen (25 Jahre)

  • Rürup (Netto-Tarif) → Kapital ca. 1,23 Mio. €
  • Freies ETF-Depot → Kapital ca. 1,28 Mio. €

(Die Differenz ist klein — bei sehr günstigen Rürup-Manteln verschwindet der Kosten-Nachteil.)

Schritt 2 – Auszahlung / Rentenphase

  1. Rürup-Jahresrente (3 % v. 1,23 Mio.) ≈ 36.900 € brutto / Jahrvoll steuerpflichtig.
    Realistische Steuerbelastung auf diese Rente: häufig 25–35 % (je nach sonstigen Einkünften). Netto ≈ 24.000–28.000 € / Jahr. Mehr geht da nicht, weil das Kapital ja nicht verfügbar ist und die Rente vom Versicherer bis zum Lebensende garantiert werden muss
  2. Freies ETF-Depot Entnahme (4 % Regel auf 1,28 Mio.) ≈ 51.200 € brutto / Jahr.
    Besteuerung: Abgeltungsteuer auf Gewinne (~25 % plus Soli → effektiv ≈ 26,375 % auf die Erträge), nicht Einkommenssteuer-Progression. Ergebnis: deutlich besserer Nettocashflow – das Kapital wird u.U. aufgezehrt  — keine Kopplung / Abhängigkeit an einen Versicherer.

Fazit aus dem Beispiel

Unter den idealen Bedingungen (sehr günstiger Nettotarif, niedrige Mantelkosten) ist ein Rürup-Tarif rechnerisch nicht klar schlechter als ein freies ETF-Depot — ABER:

  • Das Ergebnis ist sehr empfindlich gegenüber kleinen Kostenunterschieden (zusätzliche 0,5 % p.a. Mantelkosten können den Vorteil eliminieren). Studien zeigen, dass viele Produkte in der Praxis weit höhere Effektivkosten haben.
  • Und vor allem: die Steuerersparnis in der Ansparphase ist nur dann ein Vorteil, wenn du die Steuererstattung nicht verbrauchst, sondern konsequent in ein freies ETF-Depot reinvestierst. Verkäufern wird genau das oft nicht deutlich gemacht — oder es wird mit „finanzieller Disziplin“ argumentiert, die viele Kunden später nicht halten.

 

Praktische Handlungsempfehlung — so gehst du jetzt vor

  1. Nicht unter Druck unterschreiben. Jahresendspurt ist normal — aber verkäuferischer Druck ist kein Qualitätsmerkmal.
  2. Fordere vollständige Kostenaufstellung (Effektivkosten über Laufzeit) — und lass sie rechnen (nicht nur Prozentangaben). Studien zeigen, dass die effektiven Kosten oft viel höher sind als auf den ersten Blick.
  3. Prüfe: Ist es ein echter Nettotarif? Wenn Provisionen oder Abschlusskosten abgezogen werden, ist der vermeintliche Vorteil schnell weg.
  4. Plane die Steuerersparnis: Wenn du die Steuererstattung nicht konsequent in ein freies Depot reinvestierst, lohnt sich Rürup in den meisten Fällen nicht.
  5. Berücksichtige Gegenparteirisiko (§ 314 VAG). Frag explizit, wie stark der Vertrag von der Solvenz des Versicherers abhängt und ob Überschuss-/Garantiezusagen kritisch sein können.

Schlusswort — kurz und klar

Rürup kann funktionieren — in sehr engen, sauberen Fällen (hoher aktueller Steuersatz + wirklich kalkulierbar deutlich niedrigerer Steuersatz in der Rente, minimaler Mantelkosten-Tarif, eiserne Reinvestitions-Disziplin, Wunsch nach Insolvenz-/Pfändungsschutz).
Für die Mehrzahl der Interessenten ist die Basisrente jedoch kein universeller Ratschlag, sondern eine Entscheidung mit klaren Nachteilen: Kostenfallen, Bindung an einen Versicherer, volle Besteuerung in der Rente, und ein reales Aufsichts-/Gegenparteirisiko (§ 314 VAG) und fehlende Flexibilität in der Auszahlungsphase.

Wenn dir jemand jetzt zum Jahresende mit „Das senkt Ihre Steuerlast noch für 2025!“ kommt — hör zu, aber unterschreibe nicht ohne die Zahlen auf dem Tisch. Und ja: Ich gehe das auch gerne mit dir durch — unabhängig, transparent, gegen Honorar. Keine Provision.

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