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Einmal erreicht, immer verdient?
So funktioniert unser Kopf. Wer sein Depot auf einem Höchststand sieht – sagen wir im Jahr 2021 – nimmt diesen Wert als selbstverständlich an. Alles darunter fühlt sich danach wie ein „Verlust“ an, obwohl es objektiv gesehen nur eine ganz normale Schwankung ist. Willkommen im Vermögensankereffekt.
Psychologischer Hintergrund
Daniel Kahneman hat es in seiner Prospect Theory beschrieben: Menschen setzen unbewusst Ankerpunkte, an denen sie sich orientieren.
In Finanzdingen sind das oft Allzeithochs, Einstandspreise oder frühere Gewinne.
Sobald der tatsächliche Wert darunter liegt, fühlen wir uns ärmer – auch wenn das Vermögen immer noch höher ist als einige Jahre zuvor.
Das perfide:
Rational wäre es, Schwankungen als normal zu akzeptieren.
Emotional fühlt es sich an, als hätte man etwas verloren, was einem „zusteht“.
Beispiel aus der Praxis
Ein Anleger hatte 2021 ein Depot von 800.000 Euro.
Dann kam 2022 – die Märkte rauschten runter, und das Depot stand plötzlich bei 650.000 Euro.
Objektive Sicht: Immer noch ein enormer Wertzuwachs im Vergleich zu 2015, als das Depot bei 400.000 Euro lag.
Subjektive Sicht: „Ich habe 150.000 Euro verloren!“
Der 2021er-Depotwert dient als Anker. Alles darunter ist gefühlt ein Minus – selbst wenn die langfristige Entwicklung nach wie vor stark positiv ist.
Warum das im Ruhestand besonders gefährlich ist
In der Entnahmephase wird dieser Bias zum echten Risiko:
- Wer sich am Höchststand orientiert, neigt dazu, zu hohe Ausgaben zu planen („Das Depot hatte doch 800.000 – das reicht dicke“).
- Fällt der Wert, entsteht Panik: „Jetzt reicht es nicht mehr, ich muss sofort gegensteuern.“
- Das führt oft zu falschen Maßnahmen: Panikverkäufe, überhastete Umschichtungen oder ein Lebensstandard, den das Vermögen real nicht tragen kann.
Wie man den Vermögensankereffekt entschärfen kann
- Langfristige Sicht behalten: Statt auf Tages- oder Jahreswerte zu starren, besser den Gesamttrend über Jahrzehnte betrachten. Das gelingt am besten mit einer Anlagestrategie, die unabhängig davon ist, ob ein Vermögensverwalter oder Fondsmanager die richtigen oder falschen Entscheidungen trifft.
- Realistische Entnahmestrategie: Nicht vom Höchststand aus planen, sondern konservativ rechnen – mit Schwankungen im Hinterkopf. Wie man im Ruhestand sein Kapital richtig entspart Teil 2
- „Ein Genug für mich“ definieren: Wenn das Ziel ein stabiles Einkommen im Ruhestand ist, dann ist es egal, ob das Depot im Jahr X auf einem Hoch oder Tief steht.
- Mentales Reframing: Ein Rückgang vom Höchststand ist kein „Verlust“, sondern Teil der natürlichen Wellenbewegung.
Fazit:
Der Vermögensankereffekt zeigt, wie sehr unser Denken vom letzten Höchststand geprägt wird. Doch Vermögen ist kein linearer Weg nach oben, sondern eine Berg- und Talfahrt.
Wer seine Finanzplanung an Höchstständen festmacht, läuft Gefahr, falsche Entscheidungen zu treffen. Wer dagegen akzeptiert, dass auch Tiefpunkte dazugehören, plant robuster – und lebt vor allem entspannter.
Wenn Sie sich fragen, wie Sie Ihre Ruhestandsplanung unabhängig von Markt-Höchstständen solide aufstellen können: Sprechen Sie mit einem Berater, der nicht von Provisionen lebt – sondern von einem klaren Plan für Ihre finanzielle Zukunft.
Hier beginnt die Planung, die nicht an Börsenständen hängt, sondern an Ihrem Leben.